ERMITTLUNGEN ZUM GLÜCK
Hat jemand eine Ahnung? Wo sind die Werkzeuge, welche Rolle spielt der Zufall, ist Angst ein Antrieb, braucht es die Störung, was gilt es zu verteidigen? Ist das Glück eine launische Hure? Es ist ein Boojum, nicht wahr?
»Mit Seife und Gabeln« ermittelt aus gegenwärtiger Perspektive soziale, politische und kulturelle Bedingungen für Glück anhand von 34 dargelegten Positionen zum Glück in Interview, Statement und Essay. Parallelerzählung und konzeptionelle Blaupause bilden Motive aus Lewis Carrolls absurdem Versbericht »The Hunting of the Snark« aus dem Jahr 1876 über eine Handvoll unglücklicher Glücksuchender. Die als »Agonie in acht Krämpfen« untertitelte Erzählung stellt die individuelle Herangehensweise an diese Suche ins Zentrum. Gefahndet wird nach dem Snark ? doch wehe dem, der ihn findet, denn dieser könnte sich als Boojum entpuppen. Carroll beäugt das geschäftige Streben nach Glück mit Ironie und im Geist des Existentialisten: im Hinblick auf der Suche einzig gewisser Erfüllung ? dem Tod. Das Diktum, wir seien alle auf der Suche nach dem Glück, korrumpiert und bindet den Glücksbegriff an rationale Zwecke. Die Flut konsumistischer Happiness-Konzepte bedient sich seiner und setzt ihn an die Stelle konkreter menschlicher Bedürfnisse wie Freiheit oder Gesundheit. data / Auftrag für parasitäre* Gastarbeit beschäftigt sich seit 2003 mit Ermittlungen über das hartnäckig-formidable und kreative Potential des Parasitären Prinzips. Das Parasitäre Prinzip bezeichnet die von Daniela Petrini und Tanja Trampe entwickelte und praktizierte Arbeitsweise und dient als Werkzeug des künstlerisch-theoretischen Intervenierens in zeitgenössische Kontexte. Von 2007 bis 2010 koppelte data in einem mehrteiligen Werkkomplex über Glück gesellschaftliche Erkundungen an einzelne Motive aus »The Hunting of the Snark«. Dieser Komplex bildet das konzeptionelle Fundament der Publikation sowie der Ausstellung. Im Gespräch mit Künstlerinnen und Künstlern aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, Kroatien sowie den USA beschließt data / Auftrag für parasitäre* Gastarbeit seine Ermittlungen zum Glück und bündelt die Kräfte ? »Mit Seife und Gabeln« präsentiert weder Ansichten von Glückseligkeit noch Wege ins Glück. Vielmehr tastet jede Position mit Eigensinn im Halbdunkel nach einer Lücke. Es werden Störungen und Zufälle manifest und dass wir nur im Unglück alle gleich sind. Auch Carrolls jagender Schiffsbesatzung ergeht es nicht anders. Doch mitunter schimmert durch die Luke, deren Sprachwurzel ebenso im »Gelücke« liegt, die Ahnung, dem Glück hafte etwas Transzendentes an.
data / Auftrag für parasitäre* Gastarbeit (Tanja Trampe und Daniela Petrini, Hg.)
Berlin 2011, 176 Seiten, 120 s/w-Abb., 24 x 16 cm, Beilage: Poster mit 30 Werkabbildungen in Farbe, Deutsch
ISBN 978-3-86895-357-2