Von Glyptotheken und Gipsabgusssammlungen beeindruckt, begann Oliver Laric (geb. 1981 in Innsbruck) vor einigen Jahren selbst skulptural zu arbeiten, wobei er sich besonders für Gipsabgüsse von griechischen und römischen Plastiken und deren Sammlungsgeschichte interessiert. Die Auswahl der Objekte ist dabei beeinflusst von seiner aktuellen Recherchen zur Geschichte und Entwicklung der 3D-Technologie, die er dann auch zur Herstellung seiner Arbeiten nutzt, sowie der virulent gewordenen Frage von Autorschaft im digitalen Zeitalter und einer Internet-Kultur, in der Inhalte und Informationen unkontrollierbar zirkulieren bzw. recycelt werden und in der das Konzept von singulärer Autorschaft durch anarchische Strukturen faktisch ad absurdum geführt wird.
Seine an kunstwissenschaftliche Methoden erinnernde Gegenüberstellung von Werken (zum Teil unterschiedlicher Epochen) lässt an Aby Warburgs Mnemosyne-Atlas denken, der mittels vergleichender Bildwissenschaft die Einflüsse und das Weiterleben der Antike auf die europäische Kultur untersuchte. Vor dem Hintergrund seiner frühen netzbasierten Arbeiten und der durch digitale Handlungen wie Kopieren und Einfügen aufgeworfenen Thematik von Autorschaft interessiert sich Laric insbesondere für Forschungen, welche Auswirkungen auf die Lesart von Kunstwerken haben und bestehende Vorstellungen ändern bzw. korrigieren.
Seit einem vielbeachteten Museumsprojekt im britischen Lincoln im Jahr 2012 arbeitet Laric außerdem an einem öffentlich zugänglichen 3D-Archiv von Kunstwerken und Alltagsgegenständen. Das Lincoln-Projekt stand für Laric am Anfang zahlreicher weiterer Kooperationen mit bedeutenden Museen; die Verhandlungen über einen freien Zugang zu deren Sammlungsobjekten in Form veröffentlichter und bearbeitbarer Daten wurden in den letzen Jahren unweigerlich Teil seiner künstlerischen Praxis. Sein Bestreben, museale Kunstobjekte als 3D-Daten über geografische, soziale und kulturelle Grenzen zu verbreiten und einer zunehmend digitalen Gesellschaft zugänglich zu machen, stellt dabei für viele Museen eine große Herausforderung dar, die durch rechtliche Unklarheit im Hinblick auf Urheber- und Nutzungsrechte verkompliziert wird. Jüngste Bestrebungen der EU, die nicht in allen EU-Ländern geltende Panoramafreiheit überhaupt abzuschaffen, sprich das allgemeine Recht, alles im öffentlichen Raum Befindliche ohne Urheberrechtseinschränkungen fotografieren und veröffentlichen zu dürfen, ist nur ein Symptom einer gegenwärtigen Überforderung politischer und ökonomischer Systeme, die von rasanten technischen Entwicklungen gleichsam überrollt werden.
Sein Interesse an der 3D-Technologie führte ihn schließlich auch zu einer selbstreflexiven Auseinandersetzung mit dem Medium. Er stieß auf heute vergessene Vorläufer aus dem 19. Jahrhundert, die sich der mechanischen Reproduzierbarkeit dreidimensionaler Objekte auf Basis der Fotografie gewidmet hatten. Die bedeutendste Persönlichkeit darunter war François Willème, der bereits 1860 in Frankreich ein Patent anmeldete, das praktisch das heutige 3D-Verfahren vorwegnahm. Seine Erfindung ermöglichte die schnellere und billigere Produktion von Skulpturen anhand von Fotografien.
Für das von ihm entwickelte Künstlerbuch hat Oliver Laric eine Vielzahl seiner Skulpturen in Form von Renderings zusammengestellt, versehen mit genauen Angaben und Downloadlinks, die zu seinem 3D-Archiv führen. Darüber hinaus beinhaltet es eine Chronik der 3D-Entwicklung, die 1860 mit Francois Willème beginnt und mit einem Ausblick auf den globalen Markt für 3D-Scans im Jahr 2020 endet; des weiteren eine Bildstrecke mit Renderings der Beethovenstatue aus einem Online-Wettbewerb sowie eine Stellungnahme zum Urheberrecht eines auf Online-Rechtsfragen spezialisierten Juristen. Wer mit dem Magic-EyePrinzip vertraut bzw. im dreidimensionalen Sehen geübt ist, wird im Buch außerdem 50 weitere Skulpturenansichten entdecken!
Impressed by glyptotheques and plaster-cast collections, Oliver Laric (born in 1981 in Innsbruck) also started to work sculptural a few years ago, especially interested in plaster casts of Greek and Roman sculptures and their collection history. The selection of works is informed by Larics current research into the history and development of 3D technology, which he is also using for the production of his works, as well as the increasingly heated contentions over authorship in the digital age: in todays Internet culture, where content and information circulate and are recycled beyond anyones control, anarchic structures effectively render the notion of singular authorship moot.
His juxtapositions of works that sometimes date from different eras suggests the methodology of art history and specifically recalls the Mnemosyne Atlas of Aby Warburg, whose comparative visual studies traced the afterlife of antiquity and how it influenced European culture. Digital procedures such as copy and paste raise the question of authorship, and so Laricwhose early work was often web-basedis especially interested in research that affects how a work of art is read and overturns or corrects entrenched ideas.
A widely noted project Laric undertook in cooperation with a museum in Lincoln, England, in 2012 marked the beginning of a larger endeavor: collaborating with a series of prominent museums, Laric has worked to build a publicly accessible 3D archive of works of art and everyday objects. In the past few years, the negotiations over universal access to the objects in their collections in the form of data published for free use and editing have inevitably become an integral part of his artistic practice. His efforts to disseminate art objects held by museums across geographical, social, and cultural boundaries by making 3D data available to an increasingly digital society represent a challenge to many museums; unresolved questions concerning copyright and usage rights further complicate the issue. A recent attempt by the EU to abolish the freedom of panoramathe general right to take and publish photographs of everything located in the public sphere without infringing on any copyright, which is currently the law in some but not all EU member statesis merely a symptom of how the prevailing political and economic systems are overwhelmed by the task of managing todays rapid technological advances.
His interest in 3D technologies led him to reflect on his own practice in light of the mediums origins and foundations. As he explored its history, he discovered widely forgotten nineteenth-century pioneers of the photography-based mechanical reproduction of three-dimensional objects. Preeminent among them was François Willème, who registered a patent in France as early as 1860 that effectively anticipated todays 3D process. His invention allowed for an unprecedentedly fast and cheap production of sculptures based on photographs.
For his artist\'s book Oliver Laric has put together a variety of \"his\" sculptures in the form of renderings; precise information and download links lead to his 3D archive. It moreover includes a timeline of 3D technology, from François Willèmes 1860 invention to a sketch of what the global market for 3D scans will look like in 2020, a series of renderings of the Beethoven statue from an online competition as well as a discussion of copyright law by a legal scholar specializing in Internet law. Anyone familiar with the Magic-Eye-principle or practiced in three-dimensional seeing will also find 50 further sculptures in the book!
ISBN: 978-3-95763-335-4,
2016,
176Seiten,
Revolver Publishing Berlin,