Der tschechische Künstler Dominik Lang befragt in seinen Interventionen und Inszenierungen die vielschichtigen Beziehungen zwischen BetrachterInnen und Objekt, Objekt und Raum, subjektiver Wahrnehmung und Historisierung. Wiederholt hat er sich mit der tschechischen Moderne auseinandergesetzt und seinen persönlichen Zugang zur (Kunst-) Geschichte demonstriert.
Für seine Ausstellung in der Wiener Secession entwickelte er mit Expanded Anxiety Reihe von Werken, in denen er Elemente der kubistischen Skulptur und Architektur neu interpretiert.
Expanded Anxiety basiert auf der Statue Ùzkost ([Angst] 1911-12) des tschechischen Bildhauers Otto Gutfreund (1889 Dv?r Králove - 1927 Prag) aus der Sammlung des Nationalmuseums in Prag. Gutfreund hatte in Paris studiert und gilt als einer der ersten VertreterInnen des tschechischen Kubismus. Dominik Lang: ?Der Stil der Statute ist expressionistisch-kubistisch, die gebrochenen Oberflächen und scharfen Ecken betonen die Spannung in der Figur, ihre Konzentration und ihren Schwerpunkt auf dem Inneren ? meiner Ansicht nach versucht die Skulptur nicht, sich in den Raum zu erweitern und sich zu zeigen, sondern sie vermittelt eher das Gefühl, sich selbst in die komprimierteste, aufs Äußerste zusammengedrückte Form reduzieren zu wollen.?*
Dabei lenkt Lang die Aufmerksamkeit nicht nur auf das historische Werk, sondern gleichermaßen auf den eigenen Standpunkt. Letztlich wirft er die BetrachterInnen dadurch auf die Frage zurück, wie (historische) Bedeutung überhaupt konstruiert werden kann: ?Ich würde sagen, ich bin daran interessiert, wie Objekte - und in diesem Fall Kunstwerke - geformt, beeinflusst, von ihrer Umgebung bestimmt sind, wie sie vom Kontext, von geschichtlichen Ereignissen, den geistigen Zuständen ihrer SchöpferInnen konstituiert werden. Was sagen die Werke über die Zeit und soziale Atmosphäre aus, in der sie entstanden, werden sie selbst zu Wesen mit Erinnerungsvermögen, zu Opfern ihrer Zeiten usw.? (?) Indem sie körperlich in die Leere eintreten, werden die BesucherInnen zurück in die Zeit gehen und aufs Neue in die Vergangenheit eindringen, genauso wie sie einen neuen, ganz besonderen Ort voller verdichteter Angst erleben, eine erweiterte Angst, die eine Zeitspanne des frühen 20. Jahrhunderts mit der Gegenwart verbindet und bis zu den Angstgefühlen der Gegenwart reicht.?*
Die ebenfalls neu entwickelten Vitrinenarchitekturen und Skulpturen, die er in einem weiteren Ausstellungsraum zeigt, sind wiederum beispielhaft für den freien, fiktiven Dialog, den er in seinen Arbeiten immer wieder mit Werken seiner Vorgänger ? Josef Go?ár, Vlastislav Hofmann, Pavel Janák, u.a. ? entspannt.
Einem internationalen Publikum wurde Dominik Lang unter anderem durch seine Arbeit Sleeping City bekannt, mit der er 2011 auf der 54. Venedig Biennale den Pavillon der Tschechischen und Slowakischen Republiken bespielte. Die Installation, in der er die unbekannten spätmodernistischen Skulpturen seines Vaters Ji?i Lang (1927?1996) interpretierte, verbindet zwei künstlerische Ansätze, die durch unterschiedliche Perioden und Kontexte geprägt sind. Sie ermöglicht die Begegnung mit einer vergessenen Generation, verdeutlicht jedoch durch das immanente Wechselspiel zwischen persönlichem Engagement und distanzierter Beobachtung, zwischen individueller Erinnerung und kollektivem Gedächtnis, immer auch die Unmöglichkeit, sich der (eigenen) Vergangenheit zu stellen.
* alle Zitate aus: ?Interview. Dominik Lang im Gespräch mit Annette Südbeck?, Katalog zur Ausstellung, Secession: Wien, 2013.
Texte: Karel Císa?, András Pálffy, Émilie Renard, Annette Südbeck (Interview)
In his interventions and installations, the Czech artist Dominik Lang explores the complex relations between viewer and object, object and space, subjective perception and historicization. He has repeatedly dealt with Czech modernism and demonstrated his personal approach to (art) history.
For his exhibition in the Viennese Secession, he reconstructs the famous statue Ùzkost [Anxiety] (1911/12) by sculptor Otto Gutfreund in an enlarged form specially adapted to the exhibition space, allowing visitors to experience the sculpture in a new way and get right inside it.
Expanded Anxiety is based on the statue Ùzkost ([Anxiety] 1911?12) by Czech sculptor Otto Gutfreund (1889, Dv?r Králove?1927, Prague) from the collection of the National Museum in Prague. Gutfreund studied in Paris and counts as one of the first proponents of Czech cubism. Dominik Lang: ?The statue was in an expressionist-cubist style, the refracted surfaces and sharp corners emphasise the tension in the figure and its concentration and focus into the inside?in my opinion the sculpture doesn?t attempt to expand into the space and display itself, but it rather feels it wants to reduce itself into the most compressed, squeezed form.?*
Lang directs our attention as viewers not only to the historical work, but also to our own viewpoint. Ultimately, the viewer is faced with the question of how (historical) meaning can be constructed at all: ?I would say that I am interested in how objects, and in this case artworks, are shaped, influenced, determined by their surroundings, how they are constituted by the context, historical events, their creator?s mental states, and what they say about the period and social atmosphere they were created in?are they becoming creatures with memory, victims of their times etc? (?) By physically entering the void, people will be able to go back in time and re-enter the past, as well as experiencing a specific new site for condensed anxiety, an expanded anxiety that connects the period of the early 20th century with today, reaching across to the anxiety of the present.?*
In turn the new vitrine architectures and sculptures on show in another room are typical of the kind of free, fictional dialogue that he often sets up in his work with pieces by predecessors including Josef Go?ár, Vlastislav Hofmann, Pavel Janák.
Among others, Dominik Lang came to the attention of an international audience with his work Sleeping City in the pavilion of the Czech and Slovak Republics at the 54th Venice Biennale in 2011. This installation, in which he interprets the unknown late-modernist sculptures of his father Ji?i Lang (1927?1996), brings together two artistic approaches shaped by different periods and contexts. As well as enabling an encounter with a forgotten generation, it also underlines the immanent interplay between personal engagement and distanced observation, between individual and collective memory, as well as the impossibility of facing (one?s own) history.
all quotations from: Interview with Dominik Lang conducted by Annette Südbeck, catalogue, Secession 2013.
Texte: Karel Císa?, András Pálffy, Émilie Renard, Annette Südbeck (Interview)
Secession (Hg./Ed.)