Lilli Kuschels Bilder städtischer Ensembles und gezeichneter Landschaften, von Verkehrsanlagen, menschlichen Konstellationen und kommunikativen Akten sprechen eine eigenwillig genaue Sprache. Das Entrückte, wie auch das Verrückte der Normalität werden in der Komposition der Dinge und Personen auf ihren Bildflächen sofort sichtbar. Kaum ein Wort wird gesagt, aber der gestaltende Blick hat begriffen, erzählt ohne Worte. Ihr bisheriges künstlerisches Werk umfasst Fotografien, Filme und Medieninstallationen.
Die Thematisierung von Randerscheinungen unserer Zivilisation ? Grenzen, Verkehr, vergesellschaftete Natur, Medienwirklichkeiten, sexuell aufgeladene Dingwelten ? spiegelt sich auch in der Komposition der Bilder von Lilli Kuschel. Das Denken der Kinematographin findet auf den Oberflächen des Erblickten statt. Diese Oberflächen auf gerahmten, fotografischen oder filmischen Flächen und in Installationen neu zu arrangieren ? den durchdachten Blick also festzuzurren und als Entscheidung in der Projektion zu kommunizieren ? ist einer reale Denkleistung und dazu eine Kunst. Ein Blickfeld ist amorph, und alle sehen fortwährend alles. Entscheidend ist, wie etwas gesehen wird, und welche Festlegungen im Akt der Aufnahme in einem Blickfeld getroffen werden. Lilli Kuschels Gespür für den Doppelcharakter von Natur und Gesellschaft nimmt in ihren Bildkompositionen erhellende Formen an, ohne daß die Wirklichkeit dazu umarrangiert werden müßte. Ihr Blick selbst ist das Revolutionäre. (Heinz Emigholz)
Lilli Kuschel, geboren 1981, lebt und arbeitet in Berlin als Video- und Fotokünstlerin. Nach abgeschlossenem Fotografie-Studium am Berliner Lette-Verein studierte sie an der Universität der Künste Berlin, wo sie 2009 im Studiengang ?Kunst und Medien? mit Auszeichnung absolvierte, 2011 schloß sie ihr Meisterschülerstudium bei Prof. Heinz Emigholz ab. Ihre Arbeiten wurden unter anderem in der Kunsthalle Wien, im Bregenzer Kunstverein und in der Ursula-Blickle Stiftung, sowie auf internationalen Festivals, wie der der Transmediale und dem Architektur Film Festival Rotterdamm gezeigt. 2011 wurde sie für den Preis für junge Filmkunst der Nationalgalerie und der deutschen Filmakademie nominiert und erhielt 2012 das Elsa-Neumann Stipendium des Landes Berlin.
Although hardly a word is spoken in her films, Lilli Kuschel?s images of urban environments, traffic structures and human constellations are precise and articulate. Her trained eye has an instant comprehension and tells stories even without words. It is the composition of objects and people in her images that makes the sublime as well as the absurd aspects of normal life evident.Lilli Kuschel?s images reflect the fringes of civilization ? borders, traffic, communalized nature, media reality, objects being sexually charged... She usually composes her images without a centre point, drawing her viewers? attention to the periphery, which then either becomes, or ironically disturbs, the very notion of a centre. Her thinking focuses on visible surfaces. To rearrange these surfaces on framed photographic or filmic planes, and compositions of planes, to decide on a particularly telling perspective and to communicate that decision by way of a film projection ? that is the artist?s intellectual and artistic achievement. The field of vision is always amorphous, and everybody always sees everything. What is important, however, is how we see, which part of the field of vision the cinematographer decides to show. Lilli Kuschel?s sensibility for the dual character of nature and society makes her images revealing without having to rearrange reality. Her vision itself is revolutionary. (Heinz Emigholz)
Berlin 2013, 144 Seiten, zahlr. Abb., 16,5 cm x 22,4, broschiert, Deutsch/EnglischISBN 978-3-86895-325-1