Kotscha Reists Malerei liegen Fotovorlagen zu Grunde, die er frei interpretierend und manchmal variierend auf Bildträger bringt. Meist stammen die Referenzen aus Zeitungen und Zeitschriften, oft verwendet er aber auch gefundene oder eigene Fotografien. Einmal schemenhaft zurückhaltend, einmal kraftvoll inszeniert, breitet sich so vor den BetrachterInnen ein Kosmos zwischen Aktualität und Historie aus. Landschaften und Interieurs stehen dabei gleichberechtigt neben figurativen Arbeiten oder Stillleben. Die Themen sind vielfältig: Immer wieder finden sich Aststrukturen, Menschen in kuriosen Posen, Fenstersituationen oder Tiere, und oft entstehen mehrere, freie Versionen des gleichen Sujets. Ungeachtet der Motive, die er benutzt, steht jedoch immer eins im Mittelpunkt: Das Leben. Es sind allesamt Bilder aus dem Leben und Bilder über das Leben, wobei er seinen inhaltlichen Schwerpunkt auf das vermeintlich Banale setzt, es überhöht und so der Wirklichkeit entrückt. Dabei kombiniert er gerne mehrere Vorlagen zu komplexen Kompositionen. Mittels Vergrösserung oder Verkleinerung verfremdet er die Motive, blendet Details aus oder rückt sie ins Zentrum oder verdeckt gar einzelne Bildpartien mit geometrischen Formen.
Die Arbeiten, die in der vorliegenden Monographie vorgestellt werden, sind in den letzten zehn Jahren entstanden. Kotscha Reists Malerei ist klar aufgebaut und mit leichten Pinselstrichen nahe am flüchtigen Moment einer Skizze. Waren die Bilder früher manchmal von einem dünnen, mehrschichtigen Farbauftrag und somit einem eher verhaltenen Farbenspiel geprägt, ist in den letzten Jahren vermehrt wieder Farbe zurückgekehrt. Auch die markanten, in den jüngeren Papierarbeiten entwickelten Umrisslinien haben einen adäquaten Platz auf der Lein-wand gefunden. Die Lasurnebel, die die Werke früher oft fein überzogen, haben sich sukzessive gehoben. Die BetrachterInnen sind direkter mit dem Geschehen konfrontiert, ein Entziehen des Blicks ist nicht ¬¬mehr möglich. Die Arbeiten wirken immer freier, Farbfläche wird gekonnt an Farbfläche gesetzt - es sind Werke, die harte Realitäten mit Sinnlichkeit zu vereinen wissen.
Die Bilder sind aus der Zeitachse heraus gerissene Momentaufnahmen, zum Teil völlig entkontextualisiert und in eine neue Welt gesetzt - irritierende Erinnerungsfragmente eines kollektiven Gedächtnisses. Die eigene Lebenserfahrung der BetrachterInnen wird, aufgeladen mit dem visuellen Erfahrungsschatz des Künstlers, wie ein Echo vom Werk reflektiert. Durch diesen Widerhall werden die Bilder unvermittelt Teil der eigenen Erinnerung
Kotscha Reist?s paintings are based on photographs transferred to the canvas in a process of free interpretation and sometimes variation. The images are mostly from newspapers or magazines, although he also takes his own pictures. A cosmos of current events and history thus unfolds itself before our eyes, sometimes cautiously, sometimes rather forcefully and assertively. Landscapes and interiors are shown next to figurative works without discrimination. His subjects are divers: branches, people in strange poses, windows or animals, and he often produces several, free versions of the same subject. Regardless of the motifs, however, it is always ?life? that is at the centre of his attention: the images are invariably from life and about life. In this, Reist?s focus is on the seemingly trivial things, which he exaggerates in order to diminish their references to the real. He likes to combine several photographic templates into complex compositions. The originals are transformed by enlarging or reducing their size, details are faded out ¬or placed right in the centre of the picture, or he even covers complete parts of the picture with geometric forms.
The present monograph shows works from the last ten years. Kotscha Reist?s paintings are clearly structured and painted with the kind of light brushstroke that brings them close to the ephemeral nature of a sketch. When his earlier paintings were characterised by a multilayered application of paint and thus rather restrained colours, brightness seems ¬to have returned in his later works, and the prominent outlines developed in his recent works on paper have found their adequate place on the canvas. Also, the foglike glazes that clouded earlier works have gradually lifted. The subject confronts the beholder more directly so that it seems impossible to avert one?s eyes. The works seem freer, the colour planes are placed next to each other with great mastery - hard facts meet sensuality.
The paintings are snapshots taken out of time and sometimes almost entirely out of context, placed into a new world - irritating fragments of a collective memory. The beholders? own life experiences, charged with the visual experiences of the artist, are reflected by the works like an echo. It is this echoing that makes the paintings an immediate part of one?s own history and memories.
Berlin 2012, 176 Seiten, ill., 21 x 28 cm, broschiert mit Umschlag, German/English
ISBN 978-3-86895-239-1