Die Filme und Fotografien des dänischen Künstlers Ulrik Heltoft wirken auf subtile Weise mysteriös. Ausgehend von literarischen Erzählungen oder wissenschaftlichen Quellen lotet er in seinen Werken vielfach die konzeptuellen und ästhetischen Möglichkeiten spezifischer Techniken aus, bewahrt aber trotz seiner medialen Experimente stets eine klare und brillante Fotoqualität.
Für seine Ausstellung in der Secession hat Heltoft einen neuen Film, Kabinet, entwickelt. Er basiert auf der oft verfilmten sozialkritischen Erzählung Eine Weihnachtsgeschichte (1843) von Charles Dickens, in welcher der alte, hartherzige Geschäftsmann Ebenezer Scrooge sich durch das Zusammentreffen mit Geistern zum Wohltäter wandelt. Heltoft, der wie in vielen seiner Filme auch in diesem alle Rollen spielt, fokussiert auf die dreifache Begegnung mit dem eigenen Geist. Der Protagonist trifft auf sich selbst in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beziehungsweise auf sich als jungen Mann, auf sein heutiges Ich und auf jenen Mann, zu dem er sich entwickeln mag. Während sich die Aufnahmen mit dem Hauptakteur in allen drei Akten wiederholen, verändert sich bei seinem jeweiligen Gegenüber mit dem Erscheinungs¬bild auch die räumliche Position: Der Geist der Vergangenheit zeigt sich der Kamera direkt zugewandt, der der Gegenwart hingegen ist nur von hinten zu sehen, und jener der Zukunft wandert durch den Raum und singt mit synthetischer Stimme ?Daisy Bell?, jenes Lied, das der intelligente Computer HAL in Kubricks Science-Fiction-Film 2001: A Space Odyssey singt, während er bei seiner Deaktivierung den Verstand verliert.
Heltoft hinterfragt die Illusion sowohl auf der psychologischen Ebene des Abgleichs zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung als auch auf der optischen Ebene. In dem Film verbinden sich gespielte und animierte Teile nahtlos. Zudem etabliert er ein spezifisches Spannungsverhältnis zwischen den Ästhetiken der historischen Fotografie und denjenigen der digitalen Technik.
Er ist zugleich schwarzweiß getönt und im hochauflösenden Format 4K produziert, das in der Sichtbarkeit der Details einen nahezu unheimlichen Realismus erzeugt.
Charakteristisch für sein Werk ist die Fragmentierung der Erzählungen, deren räumliche und zeitliche Stringenz sich in dem Moment auflöst, wo man sie zu erkennen glaubt. François Piron erläutert in seinem Katalogbeitrag, dass viele seiner Arbeiten ?die Logik des Traums (übernehmen), in dem ein Alltagsgegenstand, ein Windhauch oder der Gesang eines Vogels es dem Träumenden ermöglicht, von einer Welt in eine andere überzugehen. Der Traum hat bei Heltoft sowohl die Struktur des Anfangens als auch die des Sich-Wiederholens. (...) Die ewig wiederkehrende Zeit, in der sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vermischen, durchzieht die Werke Ulrik Heltofts weit über das Spiel des Zufalls, ?der Instabilität der menschlichen Dinge?, hinaus in dem hypnotischen Strudel des unendlichen Raums.? (Texte: Herwig Kempinger/Annette Südbeck, François Piron)
There is something subtly mysterious about the films and photographs of the Danish artist Ulrik Heltoft. Drawing on literary narratives or scientific sources, his works often explore the conceptual and aesthetic potentials of specific technologies. Despite his experimental use of his media, his photography evinces a uniform clear and brilliant quality.
For his exhibition at the Secession, Heltoft has created a new film titled Kabinet. It is based on a piece of social critique that has been adapted for the screen many times: Charles Dickens?s novella A Christmas Carol (1843), in which the confrontation with ghosts inspires the old and stingy businessman Ebenezer Scrooge to open his heart and change his ways. As in many of his projects, Heltoft plays all parts in the film, which focuses on the protagonist?s threefold encounter with his own spirit. He meets himself in the past, present, and future, or in other words, himself as a young man, his present self, and the man he may yet become. The footage showing the protagonist is the same in all three acts, but as his counterpart changes appearances, so does his position in space: the ghost of the past directly faces the camera, whereas the ghost of the present is seen only from behind, and the ghost of the future ambles through the room, singing, in a synthetic voice, ?Daisy Bell,? the song the intelligent computer HAL in Kubrick?s science fiction movie 2001: A Space Odyssey sings as it loses its mind when it is shut down.
Heltoft probes the workings of illusion both on the psychological level of the reconciliation of self-perception with the perceptions of others and on the visual level. The film seamlessly blends live-action sequences with animated sections while also activating the tension between the aesthetics of historic photography and digital technology. It is toned in black-and-white and was produced in the high-resolution format 4K, which yields a wealth of visible detail that engenders a positively uncanny realism.
The hallmark of his oeuvre is the fragmentation of narratives, whose spatial and temporal cohesion disintegrates at the moment we believe we can grasp them. As François Piron notes in his contribution to the catalogue, many of Heltoft?s works adopt ?the logic of dreams in which an everyday object, a breath of wind, or the song of a bird enables the dreamer to pass from one world to another. Heltoft?s dreams have a dual structure of beginnings and repetition. (?) The eternal cycle in which past, present, and future mingle, continues to turn, transcending chance and ?the instability of human affairs?, in the vortex of infinite space.? (Texte: Herwig Kempinger/Annette Südbeck, François Piron)
Secession (Hg./Ed.)