Julia Haller setzt sich mit Konventionen und der Geschichte der Malerei auseinander und versucht, diese in ihren Arbeiten hinter sich zu lassen.
2012 waren in ihrer Ausstellung Phtata in der Reisebürogalerie in Köln die Leinwände eigenwillig verzogen, als ob der Stoff zu stark gespannt wäre. Sie lösten sich von der Wand und bekamen etwas Objekthaftes, das der Flachheit des Mediums der Malerei widersprach. Auf grundierte Leinwände malte Haller, die textuelle Bildhauerei bei Heimo Zobernig an der Akademie der bildenden Künste in Wien studierte, mit geometrischen Grundformen ornamentartige Muster oder Flächen in dünn-lasierenden Farben, die sich vom Hintergrund abhoben.
Die Bandbreite der Materialien, die die Künstlerin verwendet, reicht von Knochen- und Hasenleim, Schellack, Acrylfarbe und Gouache bis zu Eisenoxidpigment. In der kleinformatigen Serie ohne Titel (2014), die unter anderem in der Ausstellung Passion in der Galerie Christian Andersen zu sehen war, erzeugt eine mit tiefschwarzem Eisenoxid bemalte Leinwand hinter Glas eine stark spiegelnde, violett-blau changie-rende Oberfläche, in der sich erst allmählich Flächen und Linien abzuzeichnen beginnen – fast als wollten sie nicht entdeckt werden.
2014 zeigte Haller in den zeitgleich in Wien stattfindenden Ausstellungen im Boltenstern-Raum der Galerie Meyer Kainer und bei Diana Lambert ihren Werkkomplex ohne Titel: eine Serie von Zeichnungen, die mittels Transfertechniken als in Mineralstoffplatten eingravierte, mit Farbe gefüllte Linien in Erscheinung traten. Im Boltenstern-Raum waren ausschließlich jene Bilder, die die Künstlerin mit ihrer rechten Hand gezeichnet hatte, ausgestellt, während bei Diana Lambert deren mit der linken Hand gezeichneten „Pendants“ zu sehen waren. Die Bilder waren im Boltenstern-Raum so gehängt, dass jeweils eine Leerstelle für die linke Entsprechung frei blieb.
Für ihre erste institutionelle Einzelausstellung in Österreich hat Julia Haller eine neue Serie von Arbeiten produziert. Sie setzt hier ihre zeichnerische Technik mit Mineralstoffplatten, deren Oberfläche sie unter anderem mit Frästechniken und Pigment behandelt, fort. Dem Interesse der Künstlerin, eine Situation herbeizuführen, in der künstlerische Werke sowohl als eigenständig als auch sich ergänzend wahrgenommen werden können – in der die Schau mehr als die Summe ihrer Einzelteile wird –, kommt die räumlich getrennte Präsentation ihrer Arbeiten in der Secession entgegen. Zusätzlich wird die Wahrnehmung der Räume, in denen die Arbeiten präsentiert werden, durch minimale Eingriffe manipuliert.
Julia Haller engages with conventions and the history of painting, trying to leave it behind in her own work.
Her exhibition Phtata at Cologne’s Reisebürogalerie in 2012 presented canvases strangely distorted as though the fabric were stretched too tightly. Bulking out from the wall, they took on an object-like character, defying the flatness that defines painting as a medium. Working with thin translucent paints on primed canvases, Haller, who studied textual sculpture with Heimo Zobernig at the Academy of Fine Arts Vienna, had painted ornamental patterns based on elemental geometric shapes or fields that stood out from the backdrop.
The artist’s repertoire of materials ranges from bone and rabbit-skin glues across shellac, acrylic paints, and gouaches to iron-oxide pigment. In a series of small-format untitled works (2014) that were on view in the exhibition Passion at Galerie Christian Andersen and other venues, canvas painted with a deep black iron oxide is set behind glass to produce a strongly reflective and iridescent violet-blue surface in which fields and lines only gradually reveal themselves—almost as though they did not want to be discovered.
Two concurrent exhibitions Haller presented in Vienna in 2014—one at Galerie Meyer Kainer’s Boltenstern-Raum, the other at Diana Lambert—featured another untitled ensemble of works: a series of drawings transferred onto mineral composite panels, where they emerged as engraved lines filled with color. The show at Boltenstern-Raum consisted of the pictures the artist had drawn with her right hand; the left-handed “matches” were on view at Diana Lambert, their absence from the former exhibition marked by blank spaces on the wall between the pictures.
For her first institutional solo exhibition in Austria, Julia Haller has produced a new series of graphic works on mineral composite boards, whose surfaces she treats by milling, applying pigments, and other techniques. The artist’s interest in creating a situation in which works of art can be perceived both as self-sufficient and as mutually complementary—in which the display is more than the sum of its parts—is accommodated by the presentation of her works in different rooms at the Secession. Subtle interventions further manipulate the visitor’s perception of the rooms in which the works are on view.
Text: Alexander Hempel
ISBN: 978-3-95763-264-7,
2015,
16Seiten,
Revolver Publishing Berlin,