Liz Deschenes' fotografisches Oeuvre beschäftigt sich mit Bedingungen der Fotografie und ihren Komponenten, der Wahrnehmung und den gegenseitigen Wechselbeziehungen mit anderen künstlerischen Medien sowie nicht zuletzt mit der Architektur, im Rahmen derer ihre Arbeiten gezeigt werden. Ihre Arbeiten erlauben einen selbstreferentiellen Blick auf das Medium, das von seinen Funktionen befreit ist und die eigenen Rahmenbedingungen zum Thema erhebt.
Seit einigen Jahren arbeitet Deschenes fast ausschließlich mit Fotogrammen, Bildern, die ohne Kamera erzeugt werden, eine Technik, die so alt ist wie die Fotografie selbst. Traditionell dient sie zur Abbildung von Silhouetten. Objekte werden auf fotosensitives Papier gelegt und dieses dann belichtet, wobei Deschenes auf diese äußeren Referenzen verzichtet. Ihre Arbeiten entstehen, indem sie Fotopapiere über mehrere Stunden im Freien (meist) dem Nachtlicht aussetzt, danach fixiert und mit Tonern behandelt. Je nach Einsatz und Wahl unterschiedlicher Fotochemikalien entstehen dabei Oberflächen, die schwarz, weiß, silber- oder goldfarben, glänzend oder matt sind. Hinzu kommen äußere Faktoren wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit, die unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Die Chemikalien und das Handling der Künstlerin hinterlassen Oberflächen, die Schlieren und Flecke sowie Hand- und Fingerabdrücke der Künstlerin aufweisen.
"Meine Arbeit reagiert auf das meinem Empfinden nach oft eingeschränkte Verständnis von Fotografie. Ich denke, dass Fotografie viel mehr kann, als einen bestimmten Moment in der Zeit abzubilden. [...] Ich arbeite mit den Grundlagen der Fotografie, also mit Papier, Licht und Chemikalien. Es gibt kein Negativ, keine digitale Datei. Ich versetze sie in einen vor-fotografischen Zustand zurück."
Die so produzierten Fotogramme zeigen nichts als sich selbst und Spuren ihres Entstehungsprozesses. Ein wesentlicher Faktor dabei ist, dass der einmal ausgelöste fotochemische Prozess nie zum Stillstand kommt. "Ich muss ständig auf die sich ändernden Bedingungen der Arbeit reagieren, und das ist einer der Gründe, warum ich versuche, Arbeiten zu schaffen, die sich auch während und sogar nach der Ausstellung noch verändern. Weil es keinen entscheidenden Moment gibt."
Deschenes' Fotogramme verändern sich, sie oxidieren, verfärben sich und sind in stetem Wandel begriffen. Insofern knüpft sie damit an ihre früheren Auseinandersetzungen mit Farbe und Monochromie an. "Das Monochrom und andere selbstreflexive Praktiken haben in der Fotografie keine profunde Geschichte, vor allem weil dieses Medium so hervorragend für die Dokumentation von Dingen und Ereignissen geeignet ist. 'Die Abkehr der Malerei von der Darstellung hat die Fotografie dazu verdammt.'"
Texte: Johanna Burton, Ruth Horak, Liz Deschenes & Bettina Spoerr (Interview)
Liz Deschenes's photographic oeuvre deals with the conditions of photography and its components, with perception and the correlation to other artistic media, and with the architecture within which her works are shown. Her works allow a self-referential look at the medium, liberated of its functions, taking its own conditions as its theme.
For some years now, Deschenes has been working almost exclusively with photograms - pictures created without a camera, using a technique as old as photography itself. Traditionally, it has served to capture silhouettes: objects are placed on photosensitive paper and the paper is then exposed. Deschenes does without these external references: her works are made by exposing photographic paper for several hours, out of doors, mostly at night, before fixing it and treating it with toners. Depending on the choice of photographic chemicals and how they are used, this creates surfaces that are black, white, silver or golden, glossy or matt. The results are also influenced by external factors including temperature and humidity. The chemicals leave streaks and spots, and there are hand- and fingerprints from the artist's handling of the material. "My work is in reaction to, I think, the limited scope that photography is often understood by. I think photography is capable of much more than representing a particular moment in time. [...] I'm just working with the most basic elements of photography, which is paper, light and chemicals. There's no negative, there's no digital file. I'm bringing it back to a pre-photographic status."
The photograms made in this way show nothing but themselves and the traces of the process that produced them. Crucially, once the photochemical process is set in motion, it never comes to a standstill: "I constantly have to respond to the changing conditions of the work, which is part of the reason why I'm trying to make work that also changes during the exhibition - and beyond. Because there is no decisive moment."
Deschenes's photograms change, they oxidize, their colours shift, they are in a constant state of flux. This relates her current work to earlier explorations of colour and monochromy. "The monochrome and other selfreflexive practices do not have a deep history in the photographic medium, mainly because of the medium's inherent ability to record and document. 'Painting's rejection of depiction has condemned photography to depict.'"
secession (Hg./Ed.)
Berlin 2012, 100 Seiten, 16,5 x 22,2 cm, gebunden, Deutsch/Englisch
ISBN 978-3-86895-274-2