Miriam Bajtala beschäftigt sich mit Wahrnehmung und den Parametern, welche diese definieren und verändern, wie Raum, Zeit und Kontext. Videos, Zeichnungen und Skulpturen gehören ebenso zu ihrem Repertoire wie Textarbeiten und performative Installationen. In jüngeren Arbeiten, wie dem Video 3 Stimmen (2011) oder den Performances 2 Monologe für einen Chor (2011) und die Rede (2012) thematisiert Bajtala Fragen der sprachlichen Artikulation von (Selbst-) Ermächtigung, Repräsentation und Vermittlung. Rede, geschriebener Text, Stimmvariationen, Sprachverlust und -aneignung sind zugleich Gegenstand und Mittel der künstlerischen Analyse.
Die feierliche Rede unterliegt gewissen Konventionen und formalen Regeln, die beitragen, dem Gegenstand der Rede ? ein künstlerisches Werk und dessen UrheberIn ? Bedeutung zu verleihen und diese entsprechend zu adressieren bzw. zu repräsentieren. Bajtala setzt hier an, um das Sprechen über die künstlerische Arbeit, das in der Regel ExpertInnen wie KuratorInnen, KritikerInnen, TheoretikerInnen überlassen wird, zu verhandeln und sich das Vermitteln des Werks selbstreflexiv wieder anzueignen. So schrieb Miriam Bajtala beispielsweise für ihren Beitrag zur Ausstellung Kabinenschau eine Rede und engagierte eine Performerin, die diese bei der Eröffnung an Stelle der Künstlerin halten sollte.
Mit ihrer für die Ausstellung in der Secession konzipierten und realisierten Arbeit in meinem Namen (2013) knüpft Miriam Bajtala an das Thema der Rede und den damit verbundenen Repräsentationsfragen an. Sie befragt darin ihre Rolle als Künstlerin, indem sie ihre Selbstwahrnehmung den Sichtweisen von vier Kulturschaffenden gegenüberstellt. Hierfür beauftragte sie eine Künstlerin, eine Kuratorin, einen Kurator und eine Autorin, jeweils eine Rede in ihrem Namen zu verfassen, also stellvertretend für sie über ihre Arbeit zu sprechen. In dem Video vier Reden stellt die Künstlerin sich selbst dar und repräsentiert zugleich die vier, von ihr autorisierten StellvertreterInnen in ihren unterschiedlichen Rollen. Vor neutralem schwarzem Hintergrund ist die Künstlerin vier Mal nebeneinander im Close-up zu sehen, sie spricht mal direkt in die Kamera, mal aus dem Off oder im Flüsterton.
Die eigene, als Reaktion auf die vier in Auftrag gegebene Reden verfasste (Gegen-) Rede inszenierte Miriam Bajtala bereits im Vorjahr auf völlig andere Weise: sie ließ sich vertreten. Diesmal durch einen ?Chor?, eine Gruppe an Menschen, die ihrem offenen Aufruf gefolgt waren, an einer Kunstaktion teilzunehmen und gemeinsam einen Text vorzutragen. Im Video Chor sieht man, wie die Gruppe den Hauptraum der Secession betritt ? allein die Größe der Gruppe schrieb einen großen Raum vor ?, sich aufstellt und anschließend im Chor die Rede Miriam Bajtalas spricht. Konsequent eröffnet der Satz ?Ich möchte laut sein? die Rede. Übertitel erleichtern es, dem Text zu folgen ? ähnlich wie in einer (fremdsprachigen) Oper.
In der Installation werden die Videoarbeiten Chor und vier Reden auf einander gegenüberliegende Wände projiziert, die ProtagonistInnen treten abwechselnd in Aktion. Der Perspektivenwechsel ? vom Close-up im Video vier Reden zur Totalen in Chor ? ist auch auf räumlicher Ebene zu verstehen. Mit der räumlichen Zusammenführung wirft Miriam Bajtala die Frage nach der jeweiligen Charakteristik sowie dem Repräsentationscharakter des Raumes auf: Das Erhabene des White Cubes konfrontiert sie mit der Intimität des Grafischen Kabinetts.
Texte: Christa Benzer, Christian Höller, Jens Kastner, Sarah Kolb, Gabriele Mackert, András Pálffy, Carola Platzek, Dietmar Schwärzler, Claudia Slanar, Andreas Spiegl, Franz Thalmair, Jan Verwoert, Flora Watzal, Sabine Winkler
Miriam Bajtala deals in her work with perception and the parameters that define and alter it, such as space, time, and context. Her repertoire includes videos, drawings, and sculptures, as well as text-based works and performative installations. In recent works, like the video 3 Stimmen (three voices, 2011) and the performances 2 Monologe für einen Chor (2 monologs for a chorus, 2011) and die Rede (the speech, 2012), Bajtala examines the linguistic articulation of (self-) empowerment, representation and communication. Speech, written text, vocal variations, losing and claiming language are both the objects and means of her artistic analysis.
An official speech is subject to certain conventions and formal rules that help to lend significance to its subject?an artistic work and its author?and to address or represent it accordingly. Taking this as her point of departure, Bajtala deals with the act of speaking about artistic work that is usually left to experts such as curators, critics, theorists, self-reflexively re-appropriating this discussion of the work. For her contribution to the Kabinenschau exhibition, for example, Bajtala wrote a speech and employed an actress to deliver it at the exhibition opening in her place.
With In my name (in meinem Namen, 2013), the work she conceived and realized for her exhibition at the Secession, Bajtala addresses the theme of the speech and associated questions of representation. In this work, she questions her role as an artist by juxtaposing her self-perception with the views of four cultural producers. She commissioned a woman artist, two curators (one man, one woman) and a woman writer to write a speech in her name, speaking on her behalf about her work. In the video four speeches (vier Reden), the artist portrays herself at the same time as representing her four authorized representatives in their various roles. Against a neutral black background, the artist is seen four times in close-up, sometimes speaking directly into the camera, sometimes as a voice-off or a whisper.
Bajtala?s own speech, written in response to the four commissioned speeches, was staged last year in an entirely different way: here, she had herself represented by a chorus, a group of people who responded to her call to participate in an art action by reciting a text together. The video Chorus (Chor) shows the group entering the Secession?s Hauptraum?the size of the group called for a large space?taking up positions and then reciting Bajtala?s speech. Logically enough, the speech begins with the words: ?I would like to be loud.? Surtitles help the audience to follow the text?as in the case of (foreign language) operas.
In the installation, the video works Chorus (Chor) and four speeces (vier Reden) are projected on facing walls, screened alternately. The changes of perspective?from close-up in four speeces to the long shot in Chorus?is also to be understood in spatial terms.
Texts: Christa Benzer, Christian Höller, Jens Kastner, Sarah Kolb, Gabriele Mackert, András Pálffy, Carola Platzek, Dietmar Schwärzler, Claudia Slanar, Andreas Spiegl, Franz Thalmair, Jan Verwoert, Flora Watzal, Sabine Winkler
secession (Ed.)